Auskunft des Pflichtteilsberechtigten und Belegvorlage

Worum geht es?

Der Pflichtteilsberechtigte hat nach dem Tod des Erblassers einen Anspruch auf Vorlage eines Nachlassverzeichnisses über den Bestand des Nachlasses zum Todestag u.a. Hierbei handelt es sich um einen Auskunftsanspruch gegen den Erben, der aus § 2314 BGB folgt und auf § 260 BGB verweist. Im Rahmen der Auskunftserteilung durch den Erben stellt sich in der Regel die Frage, ob der Erbe neben der reinen Auskunftserteilung mittels Vorlage eines Nachlassverzeichnisses auch noch die Vorlage von Belegen (Quittungen, Kontoauszügen, Depotauszügen) schuldet. Mit dieser Frage, d.h. Vorlage von Belegen, hat sich das OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2018 – I-7 U 9/17 beschäftigt.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der Pflichtteilsberechtigte hat keinen zusätzlichen Anspruch auf Übersendung von Belegen (Kontoauszügen), wenn der Pflichtteilsberechtigte von dem Erben zugleich die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses beanspruchen und bei der Errichtung des Verzeichnisses durch den Notar anwesend sein kann.

Entscheidungsgründe:

…Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auskunft gem. § 2314 BGB, der auf Vorlage der Kontoauszüge für den Stichtag 31.03.2011 gerichtet ist.

Nach der Rechtsprechung besteht kein allgemeiner Anspruch auf Belegvorlage (OLG Koblenz, Beschl. v. 12.12.2011 – 10 U 409/11, juris; OLG Hamm, Urt. v. 31.01.2012 – 10 U 91/11, juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 20.02.2009 – 2 U 1386/08, ZEV 2010, 262 Rn. 20; Hanseatisches OLG in Bremen, Beschl. v. 29.06.2000 – 4 WF 59/00, juris, MDR 2000, 1324 für den Zugewinnausgleichsanspruch)…. Ein Anspruch auf Belegvorlage wird allenfalls in Sonderfällen wie bei einer Auskunft über ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung, beim Wertermittlungsanspruch des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB oder de lege ferenda erörtert. Als Argumente gegen eine Belegvorlagepflicht werden insbesondere der Gegensatz von § 259 BGB zu § 260 BGB sowie der Vergleich mit § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB angeführt. Die letztgenannte Vorschrift sieht für den Fall der Berechnung von Zugewinnausgleichsansprüchen ebenfalls Auskunftsansprüche, ein Verzeichnis nach § 260 BGB, das Anwesenheitsrecht bei der Erstellung des Verzeichnisses, einen Wertermittlungsanspruch und ein notarielles Verzeichnis vor. Der Gesetzgeber hat dort aber durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. a) des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts vom 06.07.2009 (BGBl. I, S. 1696) mit Wirkung zum 01.09.2009 ausdrücklich eine Pflicht zur Belegvorlage eingeführt, während er mit dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.09.2009 (BGBl I 3142 ff.) mit Wirkung zum 01.01.2010 zwar u.a. das Pflichtteilsrecht geändert, § 2314 BGB aber nicht um die Regelung einer Belegvorlagepflicht ergänzt hat.

Demgegenüber wird von Teilen der Literatur aufgrund einer teleologischen Auslegung des § 2314 BGB eine Vorlagepflicht zumindest hinsichtlich solcher Belege bejaht, die wie Quittungen, Konto- und Depotauszüge nach der Verkehrssitte üblicherweise beigefügt werden.

Welcher Auffassung zu folgen ist, muss in der vorliegenden Fallgestaltung nicht allgemein entschieden werden, weil die Klägerin bereits einen Titel über die Verpflichtung der Beklagten zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erwirkt hat, aus dem sie die Zwangsvollstreckung betreibt. Der von der Beklagten beauftragte Notar hat die Pflicht, den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls (§ 2311 BGB) eigenständig zu ermitteln. Zum Nachlass gehören als Aktiva Forderungen, bspw. Ansprüche der Erblasserin aus Auftrag, ungerechtfertigter Bereicherung oder unerlaubter Handlung. Dabei wird der Notar berücksichtigen, dass für die Zwecke der Pflichtteilsberechnung analog §§ 1976, 2143, 2377 BGB Rechtsverhältnisse, die infolge des Erbgangs durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit erloschen sind, als nicht erloschen gelten können (vgl. BGH, Urt. v. 18.01.1978 – IV ZR 181/76, juris, BB 1978, 522; Palandt/Weidlich , a.a.O., § 2311 Rn. 2; Staudinger/Herzog  [2015] BGB § 2311 Rn. 36). Er wird daher die zum Nachlass gehörenden Konten selbständig umfassend prüfen, zumal er verpflichtet sein kann, die Kontoauszüge der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall auf Anhaltspunkte für unentgeltliche Zuwendungen durchzusehen (BVerfG, ZEV 2016, 578 [BVerfG 25.04.2016 – 1 BvR 2423/14] Rn. 3; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 W 495/13, ZEV 2014, 308; Saarländisches OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.01.2011 – 5 W 312/10-116, juris, ZEV 2011, 373 [OLG Saarbrücken 28.01.2011 – 5 W 312/10-116]; zusammenfassend Weidlich , Die neuere Rechtsprechung zum notariellen Nachlassverzeichnis: eine kritische Bestandsaufnahme, ZEV 2017, 241 ff.). Die Klägerin, die das Recht hat, der Errichtung des Nachlassverzeichnisses beim Notar beizuwohnen (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB), erhält auf diesem Weg zuverlässig die Informationen, die sie zur Beurteilung ihrer Ansprüche benötigt. Welches schutzwürdige Interesse sie daran haben könnte, dass die Beklagte ihr zusätzlich von ihr gefertigte Kopien der Kontoauszüge übersendet, ist nicht ersichtlich…

(ErbR 2018, 605)