Erbrecht des Ehegatten – ein Überblick

Erbrecht des Ehegatten – ein Überblick

Allgemeines

Dem Ehegatten des Erblassers steht ein eigenes Erbrecht zu. Die Höhe des Erbrechts richtet sich danach, neben welchen Verwandten (erster Ordnung, zweiter oder dritter Ordnung) der Ehegatte erbt und danach, in welchem Güterstand, ob in Zugewinngemeinschaft oder in Gütertrennung (zumeist der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft), die Eheleute im Zeitpunkt des Erbfalls gelebt haben.

Der Ehegatte ist gesetzlicher Erbe, fällt aber nicht der 1.Ordnung oder 2.Ordnung zu, d.h. der Ehegatte verdrängt nicht die Erben 1. Ordnung oder 2. Ordnung. Selbst Erben der 3. Ordnung (aber nur bei noch lebenden Großeltern) können neben dem überlebenden Ehegatten noch gesetzliche Erben sein.

Der Ehegatte erbt neben Erben erster Ordnung, also neben den Kinder, Enkeln oder Urenkeln des Erblassers, zu 1/4. Neben den Erben zweiter Ordnung, also den Eltern und Geschwistern des Erblassers, aber auch neben den Großeltern, erbt der überlebende Ehegatte zu 1/2.

§ 1931 Abs.1 – Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten

Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einemViertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Treffen mit den Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Anteil, der nach § 1926 den Abkömmlingen zufallen würde.

Sind weder Verwandte der 1.Ordnung, der 2.Ordnung oder Großeltern vorhanden, so erbt der Ehegatte jedoch als gesetzlicher Erbe allein.

§ 1931 Abs.2 – Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten

Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.

Zugewinngemeinschaft

Waren die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (also ohne notariellen Ehevertrag) verheiratet, dann erhöht sich die Erbquote des überlebenden Ehegatten an der Erbschaft um ein weiteres 1/4. Der überlebende Ehegatte beerbt also den Erblasser neben den Erben erster Ordnung zu 1/2 und neben den Erben zweiter Ordnung zu 3/4.

§ 1931 Abs.3 – Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten

Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.

§ 1371 Abs.1 – Zugewinnausgleich im Todesfall

Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht; hierbei ist unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Falle einen Zugewinn erzielt haben.

Dies stellt die Regel dar, da die Zugewinngemeinschaft mit der Ehe begründet wird und ein anderer Güterstand gesondert zu vereinbaren ist. Der Ehegatte erhält also neben den Kindern einen Erbteil von 1/4 + 1/4, also insgesamt 1/2, und neben den Eltern des Ehegatten 1/2 + 1/4, insgesamt also 3/4.

Beispiele Erbfolge – bei Zugewinngemeinschaft

1. Der Erblasser E ist verheiratet (Güterstand der Zugewinngemeinschaft). Er hat zwei Kinder, ein eheliches Kind und ein nichteheliches Kind.

Was gilt bei Tod des E? Die Ehefrau erhält 1/4 gesetzliches Erbteil (§ 1931 Abs.1) und ein weiteres 1/4 als pauschalen Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs.1). Der Erbteil der Ehefrau beträgt insgesamt 1/2. Das eheliche und das nichteheliche Kind erben als Abkömmlinge 1.Ordnung, zu gleichen Teilen, jeweils 1/4.

2. Der Erblasser E ist verheiratet (Güterstand der Zugewinngemeinschaft). Er hat keine Kinder, seine Eltern leben noch.

Was gilt bei Tod des E? Die Ehefrau erhält, da keine Erben 1.Ordnung (Abkömmlinge) vorhanden sind, 1/2 gesetzliches Erbteil und ein weiteres 1/4 als pauschalen Zugewinnausgleich. Der Erbteil der Ehefrau beträgt insgesamt 3/4. Die Eltern des E erben als Erben 2.Ordnung jeder 1/8.

3. Der Erblasser E ist verheiratet (Güterstand der Zugewinngemeinschaft). Er hat keine Kinder, seine Mutter lebt noch, ebenso sein Bruder und seine Schwester.

Was gilt bei Tod des E? Die Ehefrau erhält, da keine Erben 1.Ordnung (Abkömmlinge) vorhanden sind, 1/2 gesetzliches Erbteil und ein weiteres 1/4 als pauschalen Zugewinnausgleich. Der Erbteil der Ehefrau beträgt insgesamt 3/4. Die Mutter des E erbt als Erbin 2.Ordnung 1/8. Der Erbteil des vorverstorbenen Vaters geht auf dessen Abkömmlinge (Bruder und Schwester des Erblassers) über, diese erben zu je 1/16.

Gütertrennung

Lebten die Eheleute im Güterstand der Gütertrennung (vereinbart durch notariellen Ehevertrag) und sind neben dem Ehegatten zu Erben ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben Ehegatte und Kinder zu gleichen Teilen (§1931 Abs. 4); im Übrigen, also bei mehr Kindern bleibt es bei einem Anteil von 1/4 (§ 1931 Abs.1).

§ 1931 Abs.4 – Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten

Bestand beim Erbfall Gütertrennung und sind als gesetzliche Erben neben dem überlebenden Ehegatten ein oder zwei Kinder des Erblassers berufen, so erben der überlebende Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen; § 1924 Abs.3 gilt auch in diesem Falle.

Beispiele Erbfolge – bei Gütertrennung

1. Der Erblasser E ist kinderlos, verheiratet (Güterstand der Gütertrennung) und war das alleinige Kind seiner Eltern. Die Eltern von E sind bereits verstorben. Es lebt noch das Elternpaar seines Vaters, von dem Elternpaar seiner Mutter lebt noch der Vater. Die Mutter des E hatte noch eine Schwester.

Was gilt bei Tod des E? Es gibt keine Erben 1.Ordnung (Abkömmlinge des E) und keine Erben 2. Ordnung (Eltern des E oder deren Abkömmlinge, Geschwister des E). Der Ehefrau steht neben den Großeltern 1/2 der Erbschaft zu, die Großeltern erben zu je 1/8, das 1/8 des vorverstorbenen Großelternteils fällt an die Ehefrau, insoweit erhält die Ehefrau 5/8 und die drei Großeltern je 1/8.

2. Der Erblasser E ist verheiratet (Güterstand der Gütertrennung). Er hat zwei Kinder, ein eheliches Kind und ein nichteheliches Kind.

Was gilt bei Tod des E? Die Ehefrau erhält 1/3 gesetzliches Erbteil (Ehegatte erbt mit den Kindern zu gleichen Teilen, mindestens jedoch 1/4). Das eheliche und das nichteheliche Kind erben als Abkömmlinge 1.Ordnung, zu gleichen Teilen, insofern jeder 1/3.

3. Der Erblasser E ist verheiratet (Güterstand der Gütertrennung). Er hat vier Kinder.

Was gilt bei Tod des E? Die Ehefrau erhält 1/4 gesetzliches Erbteil als Mindestanteil. Die vier Kinder teilen sich dann die verbleibenden 3/4 zu gleichen Teilen, so dass jedes Kind 3/16 am Nachlass erhält.

Sind weder Erben erster noch zweiter Ordnung vorhanden, dann wird der Ehegatte Alleinerbe, wenn auch die Großeltern des Erblassers vorverstorben sind.

Beispiel – Ehegatte als Alleinerbe

Der Erblasser E ist kinderlos, verheiratet (Güterstand der Gütertrennung) und war das alleinige Kind seiner Eltern. Die Eltern von E sind bereits verstorben, ebenso sämtliche Großeltern.

Was gilt bei Tod des E? Es gibt keine Erben 1.Ordnung (Abkömmlinge des E) und keine Erben 2. Ordnung (Eltern des E oder deren Abkömmlinge, Geschwister oder Nichten/Neffen des E). Da es auch keine Großeltern mehr gibt, erbt die Ehefrau allein.

Aus diesen Ausführungen folgt, dass der Ehegatte nicht immer die Hälfte erbt, wie so oft angenommen, sondern es auf Güterstand, die Anzahl der eventuell vorhandenen Abkömmlinge und die Ordnung der weiteren Erben ankommt. Hieraus folgen gesetzliche Erbteile für den überlebenden Ehegatten zwischen ¼ und der Alleinerbschaft.

Das „Voraus“ des überlebenden Ehegatten
Haben die Ehegatten kein Testament oder einen Erbvertrag errichtet, so ist der Ehegatte gesetzlicher Erbe des Erblassers. In diesem Fall erhält er als „Voraus“ aus der Erbschaft die Haushaltsgegenstände, die er zur Führung eines angemessenen Haushaltes benötigt. Neben den Erben der 2.Ordnung gebühren im sämtliche Gegenstände des ehelichen Haushalts.

§ 1932 Voraus des Ehegatten

(1) Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm außer dem Erbteil die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Hochzeitsgeschenke als Voraus. Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm diese Gegenstände, soweit er sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt.
(2) Auf den Voraus sind die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften anzuwenden.

Dies bedeutet, zuerst gehen der Voraus (die Haushaltsgegenstände etc.) an den überlebenden Ehegatten und danach wird der Rest des Nachlasses nach den gesetzlichen Erbquoten aufgeteilt.

Das Erlöschen des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten

Das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten erlischt mit der (rechtskräftigen) Ehescheidung. Das Erbrecht erlischt aber auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt hatte oder ihr zugestimmt hatte.

§ 1933 Ausschluss des Ehegattenerbrechts

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte. In diesen Fällen ist der Ehegatte nach Maßgabe der §§ 1569 bis 1586b unterhaltsberechtigt.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Ehescheidung ist zu prüfen, ob der Ehescheidungsantrag im Zeitpunkt des Todes begründet war (d.h. zulässiger und begründeter Scheidungsantrag; Trennungszeitraum; Scheitern der Ehe).

Beispiele für den Ausschluss des Ehegattenerbrechts

1. Der verheiratete Erblasser E trennt sich im Jahr 2005 von seiner Ehefrau. Im Jahr 2010 stellt er Scheidungsantrag, der Antrag wird der Ehefrau zugestellt und diese stimmt dem Antrag zu. E stirbt Anfang 2011.

Der Ehefrau steht kein gesetzliches Erbrecht zu. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers E waren die Eheleute waren mehr als drei Jahre getrennt, der Scheidungsantrag der Ehefrau zugestellt und diese hat der Ehescheidung zugestimmt.

2. Der verheiratete Erblasser E trennt sich im Jahr 2005 von seiner Ehefrau. Im Jahr 2010 stellt er Scheidungsantrag und vergisst die Gerichtsgebühren zu zahlen. Der Antrag wird deshalb der Ehefrau nicht zugestellt. E stirbt Anfang 2011.

Der Ehefrau steht weiterhin ein gesetzliches Erbrecht zu. Die Eheleute waren zwar mehr als drei Jahre getrennt, der Erblasser hat auch Scheidungsantrag gestellt, dieser wurde jedoch der Ehefrau nicht zugestellt. Insofern ist kein rechtshängiges Scheidungsverfahren begründet, so dass es bei dem gesetzlichen Erbrecht der Ehefrau bleibt.